Unsere Passwörter gehören uns! Warum wir die Bestandsdatenauskunft stoppen müssen.

Alle Infos:

1 Das Bestandsdatengesetz.
2 Kurzzusammenfassung aller Kritikpunkte.
3 Demos, Aktionen, und weiterführende Links.

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1 Das Bestandsdatengesetz.

Am 21. März 2013 hat der Bundestag das Gesetz zur sogenannten „Bestandsdatenauskunft“ beschlossen (Gesetzestext, Ergänzung). Dieses erlaubt staatlichen Diensten, Polizei und Behörden weitreichenden und fast hürdenlosen Zugriff auf Nutzerdaten bei Telekommunikationsanbietern – sogar auf Passwörter. Das Gesetz muss jetzt nur noch vom Bundesrat bestätigt werden (Abstimmung vermutlich am 3. Mai 2013), dann erlangt es Gültigkeit. Am 14. April 2013 werden wir mit Demos gegen dieses Gesetz zur Bestandsdatenauskunft protestieren.

Es geht um einen Eingriff in den innersten Kern der Privatsphäre von Menschen: Zu den Bestandsdaten zählen neben Name, Anschrift, Geburtsdatum, Rufnummer, Kontoverbindung auch die Passwörter von E-Mail-Accounts oder Diensten wie Facebook, Dropbox, Google oder YouTube, sowie z.B. auch die PIN-Codes von Handys.

Der Zugriff auf Passwörter bedeutet nicht nur Zugriff auf die Gesamtheit all unserer privatesten (gespeicherten oder gesendeten) Gedanken, sondern vollen Zugriff auf unser Selbst. Dieser leichte Zugriff stellt die informationelle Selbstbestimmung der Menschen über ihre eigene Identität im Netz, ihre persönlichen Accounts, in Frage. Und damit unser individuelles Existenzrecht im Internet.

Der leichte Zugriff – schon bei Ordnungswidrigkeiten – auf etwas so zentrales ermöglicht Willkür, was eine Gefährdung von Grundprinzipien der Demokratie darstellt. Auch ist anonymes Besuchen von Websites im Internet durch die völlig hürdenlose namentliche Identifizierung von IP-Adressen stark gefährdet. Der Bundesdatenschutzbeauftragte, die neue Richtervereinigung, und viele weitere, die als Sachverständige in den Bundestag geladen wurden, bezeichneten das Gesetz als hochproblematisch in Bezug auf Datenschutz und Schutz der Grundrechte.

Diese Sichtweise auf das Internet wird illustriert durch eine Aussage des Vizepräsidents des Bundeskriminalamts: Laut dem Spiegel sieht er das Internet als einen Raum völlig ohne Privatsphäre, und daher jede Überwachung als unproblematisch. Dieser Sichtweise stehen wir entgegen: Privatsphäre ist ein Menschenrecht – auch im Internet! Nur so kann das Internet der Emanzipation aller Menschen dienen, und nicht dem Gegenteil: ihrer Unterdrückung (egal ob durch wirtschaftliche oder politische Machtanhäufung).

Das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD angenommen. Dagegen stimmten Linke und Grüne. Das ursprüngliche Gesetz, auf dem dieses Gesetz basiert und das als verfassungswidrig erklärt wurde, stammt aus der Regierungszeit von SPD und Grünen. Beim Beschluss des Gesetzes waren nur wenige Abgeordnete anwesend. Die Verfassungsklage, die das erste Gesetz kippte, kam vom schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten der Piraten Patrick Breyer.

Kontrolle über Passwörter bedeutet Kontrolle über Menschen.“ twitterte ich, als das Gesetz im Bundestag beschlossen wurde. Doch diese Überwachung / Unterdrückung im Internet werden wir stoppen. Genau wie wir auch ACTA gestoppt haben. Privatsphäre ist ein Menschenrecht – auch im Internet! Unsere Passwörter gehören uns.

2 Kurzzusammenfassung aller Kritikpunkte.

  • Es geht um Eure Passwörter.
    Neben Bestandsdaten wie Name und Adresse können Eure Passwörter (!), z.B. von E-Mail-Postfächern und Diensten wie Facebook, Google, YouTube, Dropbox, sowie PIN- und PUK-Nummern von Handys u.ä., abgefragt werden.
  • Schon bei Ordnungswidrigkeiten.
    Der Zugriff darf bei bloßen Ordnungswidrigkeiten und ganz allgemein „für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben“ erfolgen. Da sich vermutlich bei jedem Menschen eine Ordnungswidrigkeit finden lässt, bedeutet dies willkürlichen Zugriff von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten auf unsere privatesten Daten.
  • Keine wirklichen Hürden.
    Bei der Herausgabe von Passwörtern und PIN und PUK ist ein Richtervorbehalt vorgesehen, was ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, doch ist der Richtervorbehalt in der Praxis leider nahezu wirkungslos und kann leicht umgangen werden („Gefahr im Verzug“, Zeitproblematik der Richter). Bei allen anderen Fällen gibt es keine Prüfstelle außer den Behörden selbst.
  • IP-Adressen ungeschützt.
    Jeder Internetnutzer, jeder Besucher einer Website, jeder Mail-Absender kann jederzeit namentlich identifiziert werden, da über die in diesem Gesetz vorgesehe automatisierte Schnittstelle für jede IP-Adresse die Identität der Person abgefragt werden kann. Durch die Einführung von meist statischen Adressen für Internetnutzer und sogar für Geräte bei IPv6 wird dieses Problem noch multipliziert.
  • Per automatisierter Schnittstelle.
    Alle großen Telekommunikationsanbieter und Provider müssen elektronische Schnittstellen einführen, um den Diensten und Behörden diese Abfrage per Computer leicht zu ermöglichen. Dies reduziert die Hürden auf ein Minimum und lädt zu einem häufigen Gebrauch dieser Möglichkeit geradzu ein. Als nur ein Beispiel von vielen können alle Besucher einer Behördenwebsite identifiziert werden.
  • Auf Benachrichtigung ist kein Verlass.
    Die Benachrichtigung kann stark zeitverzögert erfolgen oder ganz ausbleiben, wenn es Ermittlungen gefährdet oder „überwiegende schutzwürdige Belange“ Dritter dem entgegenstehen. Betroffene können ohne Benachrichtigung später nicht die Rechtmäßigkeit von Eingriffen überprüfen, oder erfahren nie davon.
  • Zugriff durch Geheimdienste und andere Behörden.
    Der Zugriff auf die Daten durch Geheimdienste wie den Verfassungsschutz und den BND – und viele weitere Dienste und Behörden – ist inakzeptabel.

3 Demos, Aktionen, und weiterführende Links.

26. März 2013, Dienstag: 20 Uhr: Nächstes Planungstreffen im Piraten-Mumble für Protest gegen die Bestandsdatenauskunft.
14. April 2013, Sonntag: Demonstrationen gegen die Bestandsdatenauskunft. In Nürnberg steht z.B. bereits eine Demo fest (Siehe auch: Planungsgruppe der Demo in Mittelfranken).
26./27. April 2013, Freitag/Samstag: Eventuell zusätzlicher, zweiter Aktionstag mit Demonstrationen gegen die Bestandsdatenauskunft.
3. Mai 2013, Freitag: Voraussichtlich Abstimmung über die Bestandsdatenauskunft im Bundesrat.

Siehe auch mein Blogposting vom März 2013: „12. März 2013: Welttag gegen Internetzensur und Überwachung.


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9 Kommentare zu “Unsere Passwörter gehören uns! Warum wir die Bestandsdatenauskunft stoppen müssen.

  1. Seit ein paar jahren versuchen wir, Gesetze zu blockieren und zu verhindern, um die Freiheit im Internet zu verteidigen. Dabei stehen wir scheinbar jedesmal mit dem Rücken zur Wand und rufen die schlimmsten Szenarien herauf. Das ist bei der Vorratsdatenspeicherung, ELENA und ACTA gelungen, beim LSR und der Bestandsdatenauskunft (bisher) gescheitert.
    Ich denke, die Netzgemeinde hat inzwischen genug Sachverstand bewiesen, um nicht länger nur zu skandalisieren und abzuwehren, wie in diesem Text, sondern um konkret positives zu bewirken. Ich möchte wissen, wie Strafverfolgung im Internet passieren kann, wenn ich als Hinweis nur eine IP Adresse habe. Irgendwie muß es möglich sein, über die IP auf den Täter oder die Täterin zu kommen. Ich will keine Vorratsdatenspeicherung und keine Bewegungsprofile, keine offene DE-Mail und keine Staatstrojaner. Aber wir sollten die Frage beantworten, wie wir ausgehend von einer IP eine Straftat aufklären können. Bisher ist die Bestandsdatenauskunft die einzige Antwort auf diese Frage. Und bitte komme mir keiner und sage, dass es keine Kriminalität und keinen Bedarf an Opferschutz im Netz gäbe.

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  3. Wenn jeder einen offenen Anschluß hätte, d.h. jedermann könnte sich einloggen bei jedem Router wäre das Problem der Verfolgung schon gelöst. Keiner kann mehr für seinen Account geradestehen, da ja jeder x-beliebige dort hätte zugreifen können. Es liegt daher an jedem Einzelnen das System so umzubauen, dass eine Verfolgung nicht mehr so einfach wird – sprich eine Rückverfolgung wer denn nun wo zugegriffen hat unmöglich wird. Also wer hat denn den Vorteil dieser Verschlüsselungssysteme wie WEP etc., doch nicht die Allgemeinheit. Wäre doch toll wenn ich überall wo ich bin, mich einloggen könnte und z.B. kostenlos telefonieren etc. könnte. Bei heute möglichen Bandbreiten machen doch ein paar User mehr keinem was aus. Also ich schalte frei für Alle! Wenn nur jeder 1.000ste so handelt hätten wir schon gewonnen und ein freies Internet!

    • Ich denke in der aktuellen Rechtslage wäre es die Aufgabe des Anschlussinhabers nachzuweisen, dass er für ggf. begangene Straftaten nicht verantwortlich ist.

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